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Menschenkunde

16.4.2011 Verstanden werden. Ich glaube, ein wesentliches Grundbedürfnis ist, verstanden zu werden. Der Durstende fühlt sich verstanden, wenn man ihm etwas zu trinken verschafft. Künstler können zentrale Schichten in Menschen ansprechen, die sie selbst noch nicht kennen. Oder die Angesprochenen kennen sie so etwa, haben aber außerhalb ihrer selbt noch nichts Entprechendes gefunden. "Ja, das bin ich ja," sagt die Person zum Künstler, "du hast mich entdeckt, gefunden, verstanden - endlich jemand, der mich versteht.

Beethoven ist wohl ein solcher Künstler, der die Menschen in ihrer Not anspricht und emporhebt. Ein unübertreffelicher Verstehens-Autor ist Horst-Eberhard Richter. Im Prinzip sind aber alle, die bei andern Menschen ankommen, Verstehende. Sie sind immer gesucht und willkommen.

Oder braucht man auch Menschen, die nichts verstehen können und auch nicht wollen, die Gegenkraft leisten, damit man Kraft ausüben kann, Felsen in der Brandung, Päpste? Alles schwierig.

Gewalt ist das Gegenteil des Verstehens. Oder kann man zu einem Menschen sagen: "Ich verstehe Sie sehr gut" und gleichzeitig auf ihn schließen? Man kann, aber das wäre der Gipfel der Bodenlosigkeit. Im allgemeinen wird man erst dann auf einen Menschen schießen, wenn man sich eingeredet hat, er sei minderwertig, nicht würdig, ihn zu verstehen.

19.10.2009. Neues sollte man nur schaffen, wenn es sich lohnt.

Warum muss sich jetzt CDU/CSU unter viel Mühe, Ärger und Opfern mit der FDP zusammenraufen, da sie sich doch schon vor vier Jahren mit der SPD zusammengerauft hat und sich die Koalition, wenn auch unter Spannungen, so einigermaßen eingespielt hat? Müssen neue Ministerpensionen, neue Ministergehälter geschaffen werden?

Müssen die Unternehmen sich immer wieder neue Namen zulegen, so dass niemand mehr durchfindet?

Kann man den Sturm beheben oder das Schiff retten, indem man einen Kapitän von auswärts einfliegt, der das Schiff noch nicht kennt?

Muss sich der Künstler plagen und sich den Kopf zerbrechen, bis er etwas zusammengebastelt hat, das wirklich neu ist? Oder kann man nicht auch im alten Stil schaffen?

Aber wenn sich etwas Neues entwickelt, sollte man es pflegen.

15.10.2009. Warum haben wir eigentlich nur einen einzigen Günter Wallraff? Es sollte viele von ihm geben.

Es gibt viele "ganz unten", die sich nicht verkleiden und von ihren Erfahrungen berichten. Oft werden ihnen aber Fähigkeit oder Bereitschaft fehlen, sich sprachlich zu äußern. Oder sie finden niemand, der ihre Texte so veröffentlicht, dass sie von vielen gelesen werden. Daher sind Menschen wie Wallraff so wichtig. 

Wallraff sollte ein Beruf sein. Dann würde der kategorische Imperativ lauten: "Verhalte dich, wie du dich verhalten würdest, wenn Du wüsstest, dass Dein Gegenüber Wallraff ist." Ich meine nicht, zu sagen: "Hä, sie sind ja der Wallraff", sondern dem Wallraff vorspielen, man hätte ihn nicht erkannt, und sich dann so verhalten, dass man lobend in einem seiner Bücher erwähnt wird. Dort steht dann: "Nur einer in Deutschland hat sich anständig verhalten, aber leider hat er es wohl nur getan, weil er mich erkannt hatte."

Aber im Ernst: Der Gedanke: "Jeder, der mir begegnet, kann ein Wallraff sein", wird sicher zu mehr Sorgfalt, Verantwortung, Fürsorge und Behutsamkeit anregen.

Es wäre schön, wenn ich mich immer so verhalten würde, dass ein Schriftsteller mit Sinn für Nuancen es aufschreiben kann und ich mich nicht über mich ärgern würde, wenn ich es lese. Aber die Gefahr wäre, dass ich anständiges Verhalten nur spiele aufgrund meines Wissens, wie man sich anständig verhält. Ich würde mich unbeliebt machen, da mir die Spontaneität fehlen würde. Besser also spontan sein auf die Gefahr hin, auch mal andere zu verletzen! Aber dann auch über das eigene Verhalten nachdenken! Und dafür ist ein Spiegel wichtig, wie ihn Wallraff vorhalten kann.

Wünschenswert ist, dass sich jemand nicht deshalb zu seinem Gegenüber menschlich verhält, weil er Wallraff sein könnte, sondern weil er ihn liebt, bzw.weil er ein empfindendes Lebewesen ist. Aber die Vermutung, dass das eigene Verhalten nie der Öffentlichkeit bekannt werden wird, kann in Versuchung führen, sich schlechter zu verhalten, als man es könnte, ähnlich, wie Macht in Versuchung führt, sie zu mißbrauchen. So ist der Gedanken, der jeweilige Interaktionspartner könne ein Wallraff sein, durchaus förderlich. 

 

ric 9.6.2008. Man kann es auch so auffassen, dass ich als Arena-Stier hätte zur Welt kommen können.

Das "hätte", also die Möglichkeit, die es gab oder angeblich gab, stellt ein besonderes Problem dar. Wie lässt sich entscheiden, was hätte und was nicht hätte sein können?

Vieles, so ziemlich alles hätte sein können. Im Folgenden interessiert mich nur die Möglichkeit, bei der nur wenig fehlte, damit sie zur Wirklichkeit wurde, bei der gut denkbar ist, dass sie zur Wirklichkeit geworden wäre, bzw. die Möglichkeit, deren Verwirklichung sogar noch wahrscheinlicher war als das, was dann tatschlich zur Wirklichkeit wurde.

Leicht sagen Menschen: "Ich bin Mensch, habe die Menschenwürde, und insofern steht es mir auch zu, ein Mensch zu sein. Anderes ist gar nicht denkbar. Ich habe den Titel erworben und bin nun das, was der Titel besagt. Ich hebe mich von allem andern ab." Ich möchte im Folgenden zeigen, dass dieses Sein nicht so selbstverständlich ist, wie es die Person gern möchte, dass es vielmehr um Haaresbreite anders gekommen wäre, dass nicht viel dazu gefehlt hat.

Das Ich entsteht beim jeweiligen Menschen im Lauf seiner Entwicklung. So kann "ich" immer nur Mensch sein, niemals etwas anderes. Demnoch gibt es Gründe, die es keineswegs als selbstverständlich erscheinen lassen, dass ich ein Mensch bin. Es sind die folgenden:

a. Vorformen des Ich gibt es im gesamten Bereich des Lebens, z.B. wenn das Lebewesen mit andern kämpft und für sich und nicht für andere sorgt. Insofern steckt ein Ich in einem sehr weiten Sinn in jedem Lebewesen, und spricht nichts dagegen, dass ich auch ein nicht-menschliches Lebewesen hätte werden können.

b. Ich kann nur zur Kenntnis nehmen, dass es so ist, dass ich ein Mensch bin. Wäre ich ein anderes Lebewesen, könnte ich auch das nur zur Kenntnis nehmen, und ich würde es tun.

Ich bin das, von dem ich zu Kenntnis nehme, dass ich es bin, was immer das auch ist. Ich habe mein Menschsein nicht gewählt, nicht geschaffen. So ist es keineswegs selbstverständlich, dass ich ein Mensch bin. Es ist ja denkbar, dass ich etwas anderes zur Kenntnis nehmen muss - dann allerdings nicht mit dem Verstand eines Menschen, sondern mit der Auffassung des jeweiligen Tieres.  

Als Eichhörnchen könnte ich allerdings nicht zur Kenntnis nehmen, ein solches Tier zu sein. Aber ich würde meine Gliedmaßen fühlen, mich in meinem Körper vorfinden, wie ich mich auch in einem Raum vorfinden würde, in den ich bewusstlos gebracht wäre.

c. Da meine Eltern Menschen waren und mich gezeugt haben, kann es gar nicht anders sein, als dass ich ein Mensch bin. Und doch hätte es sehr leicht anders sein können. Hätten die beiden Zellen, aus denen ich entstand, etwas andere Gene gehabt, wäre ich ein Schimpanse geworden, wären sie noch etwas anderes gewesen, ein Stier, eine Bakterie, eine Pflanze, ein Prokaryont. Es hat zu dem allen nicht viel gefehlt.

d. Selbstverständlich stehen nirgends körperlose Iche herum, und es wird nicht durch Würfeln entschieden, als welches Lebewesen das jeweilige Ich zur Welt kommen soll. Vielmehr wird durch die Gene der Geschlechtszellen bestimmt, welcher Art das entstehende Lebewesen angehört.

Sinnvoll ist aber auch ein anderer Gedankengang: Ich bin Materie. Es gibt viel Materie im Weltall. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Stück Materie, aus dem ich bestehe, gerade zu einem Menschen wurde, ist sehr gering. Somit habe ich es einem unwahrscheinlichen Zufall zu verdanken, dass ich Mensch bin. Es hätte auch ganz anders kommen können.

Es gibt viele Arten von Lebewesen, und sehr viele Arten haben viel mehr Individuen als die Art "Mensch". Auch insofern habe ich es einem unwahrscheinlichen Zufall zu verdanken, dass ich, ein Lebewesen, "ausgerechnet" Mensch bin.

Mit andern Worten: "Ich bin zwar Mensch, aber damit etwas im Weltall sehr Seltenes. Dass ich Mensch bin, ist ein unwahrscheinliches Ereignis. Sehr wahrscheinlicher wäre gewesen, dass die Materie, aus der ich bestehe, ein Stück unbelebter Materie irgendwo im Weltall oder Bakterien ist." ,  - 

Es hätte nicht nur sein können, dass ich unbelebte Materie oder ein nicht-menschliches Lebewesen geworden wäre, sondern auch, dass mein Leben als Mensch einen ganz andern Verlauf genommen  hätte

Es hätte gut sein können, dass ich als Jude geboren und grausam ermordet wäre. Es hätte aber auch sein können, dass ich als Faschist erzogen und zum Mörder geworden wäre. Das Leben, das ich geführt habe, ist von sehr vielem umgeben, das um Haaresbreite hätte eintreten können. Es ist ein "Ritt über den Bodensee".  

Es hätte sehr gut sein können, dass ich mein Abitur und meine Diplomprüfung nicht bestanden hätte und dass ich nicht Professor geworden wäre. Um Haaresbreite wäre es jeweils zum Mißlingen gekommen. Wenn ich mir das klar mache, wird mein Verhältnis zu denen, die keine Abiturprüfung gemacht haben, keinen akademischen Grad erworben haben und nicht Professor geworden sind, ein anderes, zu einem unter Gleichen, zu einem freundschaftlichen, geschwisterlichen.

Nach dem in diesem Text Gesagten gibt es Gründe - und auch zwingende Gründe - die Dinge auch so zu sehn, dass ich sagen muss: "Ich kann nichts dafür, es ist nur Zufall, dass ich ein Mensch bin, wie auch der Stier nichts dafür kann, ein Stier zu sein. Es hat nur wenig gefehlt, und ich wäre kein Mensch, sondern ein Lebewesen einer andern Art oder auch unbelebte Materie geworden."

Wer sich dies klarmacht, gewinnt zu jedem Teil der Materie und zu jedem Lebewesen ein Verhältnis unter Gleichen, ein freundschaftliches und geschwisterliches.

Es ist wohl allen deutlich, dass es sehr wahrscheinlich ist, dass zumindest die Wirbeltiere Schmerz empfinden wie wir Menschen - oder zumindest in ähnlicher Weise. Dieses Wissen reicht aber offenbar nicht aus, Menschen zu motivieren, Tiere vor Schmerz zu bewahren. Die Vorstellung: "Ich hätte ja auch als einer von den  Stieren geboren werden können, die vor und nach dem Arenakampf so unvorstellbar gequält werden - auch mir hätte so etwas widerfahren können" wird eine stärkere Motivation hervorrufen, Leiden zu verhindern.

Das ist meine  Übersetzung dessen, was in buddhistischer Sprache als Seelenwanderung bezeichnet wird. Die ist grundsätzlich unmöglich, denn wie will man nachweisen, dass der Elefant, als der ich angeblich wiedergeboren werde, ich bin?   

3./4.2.2009. Ist einmal keinmal? In der Münsterschen Zeitung vom 31.1.2009 erschien eine große Anzeige, die mit folgendem Satz endete: "Die Bremer AG produziert und montiert pro Jahr ca. 25.000 Betonträger mit einer Länge bis zu 50 Metern. Ein derartiger Unfall ist in der 60-jährigen Firmengeschichte noch nicht aufgetreten." Die Anzeige enthält einen Hinweis darauf, dass alles richtig gemacht wurde. Ich vermisse die Mitteilung, dass alles getan wird, um die Ursachen des Unfalls herauszufinden.

Mir scheint, dass der Unfall als eine Art Singularität dargestellt wird, als als Ereignis, das sich nicht nach den bekannten und vertrauten physikalischen Gesetzen vollzieht. Jedenfalls weist der Verursacher die Schuld an diesem angeblich einmaligen Ereignis weit von sich.

Ähnlich ist es bei einem Hundebiss. Mancher Besitzer des Hundes wird behaupten, dieser habe in seinem langen, langen Leben noch nie, nie jemanden gebissen. Schuld habe der Gebissene.

Der Kirchenmmusiker, der begnadete Bachspieler, der - wie ich dieser Tage aus der Zeitung erfuhr - seine Frau umbrachte, hat in seinem langen Leben nie jemand umgebracht oder verletzt. Ist das nicht eine Singularität, an der er keine Schuld hat?

Z hat jahrzehntelang Steuern hinterzogen und sich nie, nie erwischen lassen. Dafür, dass er nun doch erwischt wurde, kann er nichts. Er hatte es dem Bundesnachrichtendienst ja nicht zugetraut, dass er sich als Hehler eines Diebes von Daten der Liechtensteiner Bank betätigen würde. So wird er in den Augen der andern Steuerhinterzieher - wohl seiner Bezugsgruppe - sein Ansehen als cleverer Steuerhinterzieher gewahrt haben. Das wird ihm aber nicht genügen, denn niemand mag im Rahmen eines Strafprozesses am Pranger stehen, auch dann nicht, wenn die Strafe milde ausfallen wird und der Angeklagte das auch schon weiß.

Ich war meist in einer Schulklasse, die so dumm war, wie sie der Lehrer noch nie, nie erlebt hatte - wie dieser in seiner Verzweiflung sagte. Das war ein Versuch, die Schuld an dem Unfall des ausbleibenden Lehrerfolges von sich zu weisen.

In jedem dieser Einzelfälle gibt es aber eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass es zum Unfall kommt, und der tritt dann bei vielen Einzelfällen irgendwann ein. Beim Unternehmen Bremer, das mit seinen weit ausladenden Dachträgern den Hebelgesetzen ein Schnippchen schlägt, gibt es bei jeder Maßnahme eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass etwas schiefgeht, wohl durch Faktoren, an die man so leicht nicht denkt, z.B. dass der Beton bei zu niedrigen Temperaturen gegossen wird. Bei 60 x 25000 Montagen kommt es  dann zum Unfall. - Der Hund ist ein Raubtier, und wenn jemand einen ungewöhnlichen Geruch hat, der für ihn ein Signal ist, kann es sein, dass er zubeißt. - Bei dem begnadeten Bachspieler, der nie jemand etwas zuleide tat, staute sich immer mehr an, das er seiner Frau nicht mitteilen mochte, so dass er schließlich ihren Tod dem - wohl gefürchteten - Verlust seines Ansehens bei ihr vorzog. - Und wer seine Steuern hundertmal mit einer Entdeckungswahrscheinlichkeit von 1% hinterzieht, wird wahrscheinlich erwischt, bzw. es gibt dann doch irgendwann einmal Ereignisse, mit denen der Hinterzieher nicht rechnen konnte.

Aufgabe aller ist nun, die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem solchen Unfall kommt, zu senken, oder, besser noch, die Handlungen zu unterlassen, die mit einer solchen Wahrscheinlichkeit belastet sind, und nicht die Unfälle als entschuldbare Singularitäten darzustellen. 

In den genannten Fällen handelt es sich um keine Singularitäten, die es wohl überhaupt nicht gibt. Vielmehr vollziehen sie sich alle nach naturwissenschaftlichen Gesetzen. Nur treten immer wieder Fälle auf, in denen der Person bisher unbekannte Faktoren wirken, sie das Zusammenwirken der Faktoren nicht erfasst und die Dinge nicht in den Griff bekommt, so dass es zu Unfällen kommt.

Sie hat sich zu bemühen, diese Faktoren in den Griff zu bekommen - was ihr aber nie ganz gelingen wird - und darf sich nicht entschuldigen mit der Ungewöhnlichkeit, der angeblichen Singularität des aus dem Rahmen fallenden,  bisher noch nicht eingetretene Ereignisses, das angeblich ihrem Einfluss entzogen ist ("Dafür kann ich nichts").

28.12.2008. Irgendwann werden unsere Vorfahren gerade so viel gewusst haben, wie nötig war, dass sie sich am Leben hielten. Oft denke ich, dass ich - obwohl ich ziemlich viel weiß - im wesentlichen auch nicht viel mehr weiß: Ich weiß wo die Sachen sind, die ich brauche, um satt zu werden, weiß wo mein Bett steht und wie ich mich hineinlegen kann usw.

25.12.2008, ergänzt 26.12.008. "Wenn ich es mir überlege, keine einzige der wirklich guten Sachen im Leben gibt es umsonst. Es ist immer auch eine Last, zumindest manchmal, es macht immer auch Arbeit. Wer sich mit den Dingen des Lebens nicht belasten möchte, wird besser gar nicht erst geboren (Harald Martenstein, Zeit-Magazin 23.12.2008).

Wer Freuden will, muss Lasten auf sich nehmen, und wer keine Lasten auf sich nehmen will, dessen Leben wird alsbald so schal sein, dass er besser gleich Selbstmord gemacht hätte.

Das Schöne ist fast immer, mehr oder weniger, auch lästig.

Es gibt nur ganz wenige Ausnahmen. Verliebte sind einander nicht lästig. Aber so bald sie einander näher kennenlernen und der eine die liebenswerten Seiten des andern erkennt, sobald sich also eine wirkliche Beziehung anbahnen kann, werden sie einander auch lästig.

Wie lästig werde ich oft meinen Eltern, Lehrern, Frau, Kind, Freund, Freundinnen, Kollegen und Studierenden gewesen sein! Insbesondere meine Eltern haben es sich nie bzw. kaum anmerken lassen. 

Zu seinem sexuellen Höhepunkt zu gelangen ist nicht lästig. Wer aber dem Partner zu seinem Höhepunkt verhelfen will, für den gilt, was in den Carmina Burana gesagt wird: "Quidquid Venus imperat, labor est suavis." Was Venus befiehlt, ist eine süße Arbeit. Das könnte auch ein wenig ironisch gemeint sein, denn für die süße Arbeit braucht man viel Geduld.

Alles wird auch lästig, das eigene Haus, der eigene Garten. Die Last eines eigenen Hundes würde ich allerdings nicht auf mich nehmen, da sie mir zu wenig Freude bringen würde. Nicht jede Last bringt ja Freuden.

Wer jemand für sich arbeiten lässt, hat auch Last mit dieser Person, und oft wird diese Last größer als die Entlastung.

Wer ins Bordell geht, vermeidet die Last, die er mit andern Menschen hat. Wer von Fertiggerichten lebt, vermeidet die Last, die er mit dem Kochen hat. Aber welchen Preis zahlt er! An den finanziellen denke ich nicht einmal. Ihm entgeht die menschliche Begegnung bzw. die Frische der Nahrungsmittel. Keine Lasten, aber auch keine wirklichen Freuden!

Unter den Natur-erlebnissen ist die Besteigung hoher Berge sicher das schönste. Aber wie lästig ist die Nacht auf der Hütte vorher, wenn sich der Ellbogen des Nachbarn in einen bohrt, oder das Gehen in der Höhe, bei dem man atmet wie bei einem Dauerlauf!

Eine Ausnahme bilden die Komponisten von Domenico Scarlatti bis Mozart und das Rokoko. Die sind nicht lästig, und es fehlt ihnen nichts. Hören Sie den Alten Bach und dann Domenico, dann merken Sie, wie lästig ersterer mit seiner komplizierten Musik ist. Aber bald zieht es Sie doch wieder zum ihm zurück.

König Friedrich Wilhelm III von Preußen war nicht gerade besonders mit Geistesgaben ausgestattet, aber eins bemerkte er richtig, als ihm die ihm gewidmete Partitur der 9.Sinfonie von Beethoven überreicht wurde: Zu viele Noten, lästig. Er - Beethoven - hat in  seinem Leben zwar keine Note zu viel geschrieben, und keins seiner Werke ist lästig, aber wenn ein Hauch von Lästigkeit irgendwo durch sein Werk hauchen würde, dann doch bei diesem Monstrum von Sinfonie. Vergleichen Sie sie mal mit seiner 8!

Oder sehen Sie sich die Decke der Sixtinischen Kapelle mit verrenktem Hals an, dann merken Sie, wie lästig Michelangelo ist. Für den Besuch des Louvre, bei dem man alle die vielen Bilder sehen will, die man schon von Reproduktionen kennt, und schon bald nichts mehr sehen mag, ist "lästig" ein viel zu milder Ausdruck.

Lästig sind die Romane alle miteinander - zu viele Buchstaben! Und bei Dostojewski kommt noch dazu, dass man schreckliche Mühe hat durchzufinden, wer wer ist. Ich habe in übler Zeit lesen gelernt, habe es nie richtig gelernt, nie so, dass es ganz leicht geht und man doch versteht und behält, was der Autor meint. So habe ich noch nie einen Roman von Anfang bis Ende durchgekriegt. Schade! 

Das Lästigste ist der Tod, insofern er einen an vielem Schönem hindert, das man noch tun und erleben könnte. Wer mit Schrecken an ihn denkt, zerstört sich die Freuden, und wer sich von einem Partner an der Hand nehmen lässt und ihm entgegentanzt, kann noch viel Schönes erleben.

Wer sich unvermeidliche Lasten so leicht wie möglich macht, ermöglicht sich Freuden.

Aber ich will kein Loblied auf die Lasten singen. Man sollte sich entlasten, sobald der Körper danach verlangt und es ohne Verluste möglich ist. Selbstverständlich ist es am erfreulichsten, ohne Lasten zu wandern, und die Ruhepause ist das schönste an der Tour, aber nur nach der Anstrengung. Lasten, die nicht Voraussetzung von Freuden für irgendjemanden sind, sollte man von sich werfen.

Das darf aber nicht zu dem führen, was in der Hitlerzeit geschah: "Behinderte sind nur lästig - weg mit ihnen!" Vielmehr hat jedes Lebewesen ein Recht auf Leben, das nur aus zwingenden Gründen angetastet werden darf.

Machen Sie es nicht wie "Hans im Glück" im Märchen, der alle Lasten von sich warf! Wieviel Glück hätte er sich mit seinem Goldklumpen verschaffen, wieviel Gutes hätte er tun können!   

22.12.2008. Hundert Milliarden Menschen gab es wenigstens bisher, also genau so viele Reisen, und alle endeten sie im Grab. Merkwürdig!

22.12.2008. "Aber ich beobachte ständig, dass kaum etwas die Menschen so aggressiv macht wie das Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen, im Recht zu sein, Opfer zu sein, für das Gute zu kämpfen. Alle großen politischen Verbrechen werden in dem Glauben begangen, dass dadurch die Welt besser würde."(Harald Martenstein, Zeit-Magazin, 20.11.2008)

Oh, ich habe Überzeugungen, kann sie auch begründen und kämpfe für sie. Ich bin überzeugt von meinen Überzeugungen, sonst würde ich nicht für sie kämpfen, würde überhaupt nicht kämpfen. Ich kämpfe für sie, obwohl ich weiß, dass sie nicht die Wahrheit, nicht das Recht, nicht das Sein sind. Wer das weiß, kämpft hoffentlich fair, unter Achtung der Menschenwürde.

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Prof. Dr. Hans Dietrich Loewer | HD@Loewer-Muenster.de