Musik 11 Satie geb.1866 bis Poulenc geb.1899
Beginn der Epoche:
Die Epoche lasse ich mit Satie, geb.1866, beginnen, was ich bei der Besprechung von Satie begründe.
Ende der Epoche: Gemäß DTV-Atlas Musik erfolgt 1950 ein wesentlicher Einschnitt. An ihm seien bereits Dallapiccola geb.1904 und Messiaen geb.1908 wesentlich beteiligt. So ist es sicherlich nicht ganz verkehrt, mit den 1900 geborenen, also bereits mit Weill geb.1900 und Krenek, geb.1900, eine neue Epoche beginnen zu lassen. Die runde Zahl dient auch sehr der Einfachheit. Es werden damit 33 Geburtsjahre zusammengefasst, also etwa eine Generation. Es ist also die 1.Generation der Komponisten Neuer Musik. Es ist anzunehmen, dass ein 1899 geborener Komponist bereits 1918 etwas geschaffen hat. Damit endet diese Epoche im gleichen Jahr wie die kulturgeschichtliche, die ich bis 1918 rechne.
Selbstverständlich wird man nicht alle Komponisten dieser Zeit der Neuen Musik zurechnen können. Sie sind sehr verschieden.
Erik Satie geb.1866
*Satie, Complete Piano Works, Cristina Ariagno, brilliantclassics.
Von den 6 CDs habe ich die ersten beiden gehört, d.h. bis zum Ende der zweiten durchgehalten. Den Wunsch, noch mehr von Satie zu hören, hatte ich schon lange vorher nicht mehr.
Mit Satie beginnt etwas Neues, zumindest in der Weise, dass sich - wohl zum erstenmal in der Musik-geschichte - die Frage stellt, die sich in der Folgezeit so oft erhebt, ob die Stücke Kunst sind oder ob die Hörer an der Nase geführt werden sollen. „Kann ich das vielleicht auch?“ Positiv ausgedrückt: Wenn sich die Komponisten nunmehr die Freiheit nehmen, die sich Satie nimmt, dann können sie sich die Freiheit zu allem nehmen, und das haben sie in der Folgezeit dann ja auch wohl getan.
Ich kann mir Satie auch als Asketen vorstellen , d.h. als jemand, der beim Komponieren auf alles verzichtet, was die Musik reizvoll macht: „Schluss mit der Schwelgerei eines Richard Strauss oder Mahler!“ Auch kann ich mir vorstellen, dass Saties Musik vom Computer gemacht wurde.
Da ich mich hinsichtlich Satie verunsichert fühlte, habe ich anschließend Klaviermusik von Debussy gehört und festgestellt, dass Satie Reize, Dynamik und Aufbau fehlen. Man könnte seine Musik auch als Darstellung des Bewusstseins-stroms auffassen, aber dann als eines monoton dahinfließenden, also des Flusses Lethe. Satie mag der Begründer der Neuen Musik sein, aber eine sprudelnde Quelle ist er nicht.
Ohne Zweifel gebührt ihm Anerkennung wegen seines skurrilen Humors. Der zeigt sich schon in den Überschriften, die kaum einen Bezug zu den Stücken erkennen lasen. Weitere Bespiele sind die „Memoiren eines Amnestikers“. Ein andermal gibt er dem Pianisten die Anweisung, das Stück ohne Bewegung und ohne Geräusche zu spielen. Er scheint den Rosenkreuzern Musik geliefert, dann aber seine eigene Religion gegründet zu haben, bei der er Papst und einziges Mitglied ist. Andachten dürfen nur in seinem Zimmer verrichtet werden. Ich würde ergänzen, dass er der einzige ist, der befugt ist, Heilige Schriften zu verfassen. Die Idee ist genial: Man braucht sich weder über einen starrsinnigen Papst über einem noch über widerspenstige Gläubige unter einem zu ärgern. Letztlich ist der Witz aber traurig wie wohl alle Witze: Er drückt aus, dass die Person nur noch allein leben kann.
Von Bedeutung ist Satie auch als Mittelpunkt der Gruppe „Les Six“, zu denen u.a. Georges Auric geb.1899, Francis Poulenc geb.1899, Arthur Honegger geb.1892 und Darius Milhaud geb.1892, gehörten. Die komponierten einen wesentlichen Teil der französischen Neuen Musik.
Busoni geb.1866
Nach Br.enz. besser in die frühere Epoche einzuordnen. Scheint nicht besonders bedeutsam zu sein. Ist auch Musiktheoretiker.
Skrjabin geb. 1872
Wegen seines Farbenklaviers und seiner theosophischen (aus denen sich die anthroposophischen abgespalten haben) Gedanken verspricht er, interessant zu sein.
Rachmaninow geb.1873
Nach Br.Enz.und dtv-Atlas ist er der vorigen Epoche zuzuordnen.
Suk geb.1874
Arnold Schönberg, geb.1874
Die folgende Numerierung bezieht sich nur auf Schönberg
1. Über Schönberg im allgemeinen mit Exkursen zur Musiktheorie und zu Klang und Farbe
Bedeutung: Schönberg ist wohl nicht so bedeutsam wie J.S.Bach, aber er ist nicht allzu weit hinter ihm.
Vor allem an seinem Violinkonzert wurde mir deutlich, dass er in der Reihe der bedeutenden Komponisten steht, ein Glied in der Kette ist.
Wer ihn in seinem Leben nicht gehört hat, dem ist Wesentliches entgangen. Allerdings behaupte ich das nur für einen Teil seiner Werke. Der folgende Text kann als Anregung dienen, sich auf das Wichtigste zu beschränken.
Auch teile ich einiges über die Textdichter und deren Texte mit, nach denen ich über das interessante Begleitheft von Craft hinaus recherchiert habe und somit über die „geistige Lebenswelt“ Schönbergs.
Nach Kindlers Neues Lit.Lex. 1990 gingen in den „Doktor Faustus“ von Thomas Mann verschiedene Gestalten der Geistesgeschichte ein, aber der Bezug zu Schönberg ist ganz offensichtlich. Adorno, der mit Schönberg musizierte, hat allerlei Musiktheoretisches in den Roman hineingeschrieben, das so sehr auf Schönberg zurückgeht, dass dieser den Vorwurf erhob, diese Abschnitte des Romans seien ein Plagiat.
Zu Faust gehört immer der Teufel, der Diabolos, der Durcheinander-werfer. Es ist in gewisser Hinsicht verständlich, wenn manche ihn in Schönberg zu finden glauben, da – abgesehen von den Zeiten der aufkommenden Polyphonie – niemand das überkommene Kompositionsschema so durcheinandergebracht hat wie er. Man könnte Verzerrungen dieses Schemas erkennen. Ich selbst habe Schönberg immer mit Freude gehört – nur das Ende der „Gurrelieder“ war schrecklich, wahre Höllenmusik.
Ich habe den Eindruck, dass Schönberg mehr als alle andern Komponisten faustisch, d.h. ein Suchender und Forschender, ein Musiktheoretiker war, während Mozart und auch Beethoven alles einfach zufiel. Bei einigen Schönberg-Stücken scheint mir, dass sie mehr Konstruktionen seines Intellektes als Einfälle sind, während andere von Klang und Ausdruck her großartig sind.
Das Faustische zeigt sich auch in seinem Suchen auf vielen Gebieten, in der Unruhe seines Geistes, die sich auch in seiner Malerei und auf seinem oft fotografierten und von ihm selbst gezeichneten Gesicht zeigt. Für mich ist er so etwas wie die Personifikation der Unruhe des 20.Jahrhunderts, die vor allem nach 1918 einsetzte.
Insofern steht er im Gegensatz zu Stravinsky, der sich gern als feiner Herr, ja als Dandy aufführte.
In allem dem ist Schönberg wohl Goethe, dem „eigentlichen“ Faust, am verwandtesten, nur dass die Musik die schwächste Seite von letzterem war, aber Schönbergs bei weitem stärkste Seite.
Jedoch: Doktor Faustus von Thomas Mann besteht vielleicht nur zu 10% aus Schönberg, und Schönberg ist nur zu 10% Faust. Es besteht kein Anlass, ihn als Faust anzusehen. So weit ich sehe, hat er sich auch nie mit Goethe, dem Fauststoff oder dem Teufel befasst – abgesehen vielleicht von Wagners Faust-Ouvertüre, siehe im Folgenden.
Schönberg war auch Musiktheoretiker, ein ausgesprochener Reformtheoretiker im Sinne des Folgenden. Er veröffentlichte 1911 eine „Harmonielehre“.
Exkurs zum Thema Musiktheorie: Ich möchte sagen, dass die Musiktheorie oder auch Musiklehre so etwas wie eine handwerkliche Grundlage des Komponierens ist. Sie ist die Basis. Sie sagt, nach welchen Regeln Töne zusammenzufügen sind. Das Komponieren besteht darin, auf dieser Basis ein Kunstwerk zu schaffen.
Der Musiktheoretiker schafft auch neue Gattungen von Kompositionen, z.B. die Sinfonie, entweder, indem er sagt, wie man eine komponiert (explizit) oder, indem er einfach eine komponiert.
Die Kompositionen mögen noch so verschieden sein, die zugrunde liegende Musiktheorie mag dieselbe geblieben sein. Wenn sie sich ändert, wird die Musik ganz erheblich umgestellt, und wenn die Musik ganz erheblich umgestellt wird, beruht das darauf, dass sich die Theorie ändert.
Auch die Schaffung neuer Instrumente und deren Einfügung in eine Instrumemten-gruppe ist ein Stück Musiktheorie.
Bestandstheoretiker und Reformtheoretiker, implizite und explizite Reformtheoretiker, Komponisten – Doppelrollen und einfache (bloße) Rollen.
Es gibt Musiktheorien im Sinne einer Theorie bereits allgemein anerkannter Musik, also einer Bestandstheorie, und solche im Sinne einer Theorie noch zu komponierender oder kürzlich probeweise komponierter Musik, also einer Reformtheorie, d.h. eines Hinweises auf neue Möglichkeiten.
Eine Reformtheorie kann bloß explizit, d.h. nur verbalisiert sein, oder bloß in den Werken des Künstlers zum Ausdruck kommen (bloß implizit sein) oder explizit und implizit sein, d.h. verbalisiert und in den Werken verkörpert sein. Hieraus ergeben sich verschiedene Kombinationen:
a. Es ist denkbar, dass ein Reform-theoretiker nicht selbst komponiert, sondern seine Theorie nur verbalisiert und so den Komponisten Anregungen gibt – also „bloßer Theoretiker“ ist. Hierher lässt sich rechnen das Traktat „Musica Enchiriadis“ und „Scolica Enchiriadis“ aus dem 9.Jh., das die Vielstimmigkeit begründete, die allerdings erst 200 Jahre später nachweisbar wurde.
b. Es ist aber naheliegend, dass ein Reformtheoretiker auch selbst komponiert, also seine Theorie in Form von Musikstücken verwirklicht. Hat er seine Theorie verbalisiert, ist er expliziter Reform-Theoretiker, und, da sich seine Theorie in seinen Werken verkörpert, zugleich impliziter Theoretiker, also Komponist.
Beispiele hierzu: Zur Musik-theorie als Teil der Musik-wissenschaft, die sich kaum von der Musiklehre (besonderes Stichwort) wird abgrenzen lassen, führt die Brockhaus-Enzyklopädie von 2006 viele Autoren von der Antike bis zur Mitte des 20.Jh.an. Nur zum Teil waren diese Autoren berühmte Komponisten, auch wohl nur zum Teil Komponisten, nämlich M.Praetorius, J.J.Fux, J.Mattheson, Rameau, Nietzsche, Heinrich Schenker. Ergänzend möchte ich Tartini, auch wohl Richard Wagner und selbstverständlich Schönberg nennen.
c. Bloß implizite Reformtheoretiker. Es kommt auch vor, dass von einem Komponisten keine Verbalisierungen von Reformtheorien bekannt sind, dass sein Schaffen aber von Fragen geleitet wird wie: Welche neuen Möglichkeiten gibt es außerhalb der Monophonie (Pérotin), welche, eine Fuge zu schreiben? Wie lassen sich alle Möglichkeiten ausschöpfen, ein Thema zu bearbeiten? Wie lässt sich das Klavier wohl temperieren (J.S.Bach)? Die Antworten auf diese Fragen liegen dann in den Werken, und die Werke sind Antworten auf diese Fragen. Meist hat das Arbeiten dieser Künstler experimentellen, ja wissenschaftlichen Charakter: J.S.Bach experimentierte, versuchte Neues, ebenfalls viele Komponisten nach Schönberg, z.B.Stockhausen. Solche Komponisten lassen sich durchaus als Musikwissenschaftler und als – implizite - Reformtheoretiker auffassen.
d. Die meisten Komponisten sind „bloße“ Komponisten, d.h. keine Reformtheoretiker. Ein solcher „bloßer“ Komponist wird sagen: „Ich weiß, wie man Fugen schreibt, denke nicht weiter darüber nach, und schreibe einfach eine.“ Er kann äußerst kreativ und auch innovativ sein, seine Sprache finden, die nur er sprechen kann, und sogar, wie Beethoven, mit jedem Stück einen neuen Stil schaffen. Es gibt aber – und so möchte ich den bloßen Komponisten definieren – einen Rahmen bereits bestehender kompositorischer Strukturen, an dem er nicht rührt, nämlich die theoretische, handwerkliche Grundlage. Jeder Komponist muss zwar sehr viel von Musiktheorie verstehen, intuitiv oder bewusst, aber auch der Innovativste muss keine neue Musiktheorie schaffen. Der bloße Komponist schreibt z.B. eine Sinfonie (in unserm heutigen Sinn), nachdem Sinfonieen bereits geschrieben wurden.
Die Unterschiede zwischen einem bloßen (d) und einem Reformtheoretiker-Komponisten (b und c) sind allerdings nur graduell. Mit jeder Komposition auch eines „bloßen“ Komponisten wird eine neue Möglichkeit entdeckt, Töne zusammenzufügen; also ist jede mehr oder weniger auch ein Stück Reformtheorie. Aber die Unterschiede zwischen den Werken eines Komponisten ein-und derselben Periode seines Schaffens sind in der Regel gering, der Anteil an Reformtheorie ist gering. Der Unterschied zwischen den Werken aus verschiedenen Perioden ist größer, der zwischen den Werken verschiedener Komponisten noch größer, der zwischen den Werken aus verschiedenen Epochen noch größer. Schließlich gibt es ganz eingreifende Veränderungen, etwa beim Aufkommen der Polyphonie, beim Verschwinden der mittelalterlichen Dissonanzen oder beim Aufkommen der Zwölf-ton-musik. Hier wird grundsätzlich über das Wesen von Musik, über die Grundregeln des Komponierens nachgedacht, also Reform-theorie in ausgeprägtester Form geschaffen.
Bei J.S.Bach, der ja sehr der Tradition verhaftet ist, liegt die Bedeutung wohl nicht in einer grundsätzlichen Umstellung der Musik. Angesichts seiner oft systematischen Erkundung der im Rahmen der Barockmusik liegenden Möglichkeiten und den von ihm gefundenen neuen Möglichkeiten ist aber auch er - wie gesagt - den Reformtheoretikern zuzuordnen.
Die Personen von a bis c sind Reform-theoretiker. Ein typischer Reform-theoretiker ist vorrangig daran interessiert, wie man Töne zusammenfügt, wie man die handwerkliche, den verschiedenen Kompositionen verschiedener Komponisten zugrunde liegende Basis verändern kann, und erst nachrangig, wie man in der gefundenen Art der Zusammenfügung ein Musikstück schaffen bzw. mit ihm etwas ausdrücken kann. Der typische bloße Komponist wird, wie gesagt, keine musiktheoretischen Überlegungen anstellen, sondern mit Hilfe seines Handwerkszeugs, also seiner musiktheoretischen Kenntnissen, seine Einfälle rasch aufschreiben.
Zur Frage des Lernens und der Verallgemeinerung. Beim Reformtheoretiker ist das einzelne Werk Verkörperung einer neuen Art der Musiktheorie, Lehrstück, Beispiel, Demonstration, Realisation bestimmter Arten des Komponierens. Es hat allerdings auch seinen mehr oder auch weniger erfreulichen Eigenwert.
Der Reform-theoretiker demonstrieren – explizit oder implizit - bestimmten Prinzipien, nach denen auch andere arbeiten können, die sich also verallgemeinern lassen, d.h. theoretisch sind..
Auch von Beethoven kann man lernen, das beweist ja Schubert, aber es ist dann schwer, seinen eigenen Stil zu finden. Ein Werk Beethovens ist nicht dazu da, den Kompositions-Studenten am Konservatorium etwas beizubringen. Es hat seinen Wert nur in sich selbst..
Ich habe den Eindruck, dass die Werke der Komponisten besonders gut klingen, die zugleich Reformtheoretiker (b und c) sind. Sie haben den Reiz, den Zauber, der Frische, des Anfangs.
So weit der Exkurs über Musiktheorie! Nun aber zurück zu Schönberg!
Zur Malerei Schönbergs: Vom 2bändigen Catalogue raisonné enthält der dünne Band kaum, der dicke aber sehr eindrucksvolle Abbildungen. Letzteres gilt auch für das Buch „Die Visionen des Arnold Schönberg, Jahre der Malerei, Hatje Cantz, 2002“. Die Bilder auf den CD-Hüllen der Robert-Craft–Edition sind nicht von Schönberg, sondern von Ulrich Osterloh.
Ich möchte sagen, dass sich unter dem malerischen opus von Schönberg einige faszinierende, höchst bedeutende und sehr ausdrucksstarke Werke befinden, so dass es durchaus angebracht ist, ihn, auch aufgrund seiner Verbindung zu Kandinsky, dem Blauen Reiter zuzuordnen.
Exkurs Klang und Farbe: Im Katalog der Ausstellung: „Goethes ‚Farbenlehre’ und die Lehren von den Farben und vom Färben, Michael Imhof Verlag 2011“, findet sich ein Kapitel „Musik und Farbe“. Dieses Thema scheint seit der Antike immer wieder behandelt zu sein, doch sind die Ergebnisse nach meinem ersten Eindruck nicht gerade hinreißend. Dieses Kapitel enthält auch einen Hinweis auf theoretische Texte von Schönberg und Kandinsky und deren Kommunikation miteinander, bei der die Beziehung von Farbe und Klang von besonderer Bedeutung war. Näheres findet sich hier allerdings nicht, aber es wird auf ein Buch über die Begegnung der beiden hingewiesen:
Hahl-Koch, J., Arnold Schönberg, Wassily Kandinsky, Briefe, Bilder und Dokumente einer außergewöhnlichen Begegnung. Salzburg, Wien, 1983.
Es ist sicher interessant zu erfahren, was einer der besten im Bereich des Klänge und einer der besten im Bereich der Farben einander mitzuteilen hatten, aber es kann auch sein, dass hier Worte gemacht wurden, mit denen sich für die Schreiber viel verband, die aber für andere wenig informativ sind.
Ich denke, dass es nicht sinnvoll ist, beides zusammen zu bringen, etwa in Form eines Farbenklaviers. Auch fand ich keinen Hinweis darauf, dass Schönbergs Bilder Sichtbarmachung seiner Musik oder seine Kompositionen Hörbarmachung seiner Bilder wären. Es handelt sich einfach im 2 Seiten seiner schöpferischen Persönlichkeit, die sicherlich irgendwie zusammenhingen, nur weiß man nicht, wie, und muss es auch wohl nicht wissen. Wohl aber sind – allgemein - eine Komposition von Farben und eine von Tönen, also verschiedener Wellenlängen, etwas ganz Ähnliches. Wer häufig das erste sieht, wird sich für das zweite sensibilisieren, und wer häufig das zweite hört, wird sich für das erste sensibilisieren. So ist es sinnvoll, polyphone Musik zu hören und Gemälde zu sehen, die vor allem unter dem Gesichtspunkt der Komposition von Farben geschaffen wurden – aber wohl nicht, beides gleichzeitig zu tun. Beides ist sehr erfreulich, aber ich vermute, dass es nicht sehr aufschlussreich wäre, diesen Zusammenhängen theoretisch nachzugehen. Das Gehirn des einzelnen wird sie schon von selbst und unbewusst herstellen und so der Person zur Harmonie verhelfen.
Ich arbeite daran, Materialien für beides zusammenzustellen.
Schönberg war auch schriftstellerisch tätig. So schrieb er das Libretto für sein „Drama mit Musik: Die glückliche Hand“. Ich vermute, dass er sich auch noch auf weiteren Gebieten betätigt bzw. geforscht hat.
Schönberg, das Judentum und seine Bedeutung. Wie aus dem Folgenden deutlich wird, hatte Schönberg mit vielen Juden künstlerische Kontakte und war in das gesamte derzeitige und frühere europäische Kulturleben, das er weiterentwickelte, voll integriert. Selbst Wagner, der sich hässlich über Juden geäußert hat, wurde von ihm voll rezipiert.
Es scheint mir zu sein wie in den beiden andern Hauptkonfessionen Deutschlands, der katholischen und der evangelischen: Ein Evangelischer z.B. wird häufig Kontakte mit Evangelischen haben, was allein schon an der Landschaft liegt, in der er lebt, aber allem Wesentlichen aufgeschlossen sein, gleich, aus welcher konfessionellen Ecke es kommt.
Ich konnte in der Musik von Schönberg nichts entdecken, was typisch jüdisch ist – wie sollte ich auch? Von Juden gemachte Musik muss ja nicht typisch jüdisch sein. Das gilt auch wohl schon für die mittelalterliche, in jüdischen Gottesdiensten gesungene Musik. Die Musik von Schütz ist ja auch nicht typisch evangelisch, sondern eher vom katholischen Venedig bestimmt. Ich möchte sogar sagen, dass J.S.Bach in seiner h-Moll-Messe typisch katholisch ist – vor allem allerdings „bachisch“.
Eigentlich interessiere ich mich für Schönberg nur als Komponisten und auch für die von ihm vertonten Texte sowie deren Autoren, aber bei meinen Recherchen wurde mir die große Bedeutung deutlich, die Personen jüdischen Glaubens für die deutsche und die europäisch-US-amerikanische Kultur haben. Neben den Katholiken, Evangelischen, Atheisten und manchen andern sind sie die Träger dieser Kultur. Das wir besonders deutlich an den drei ganz Großen der damaligen Zeit: Schönberg, Einstein und Freud.
2. Musikstücke und CDs
2.1 Die Robert-Craft-Collection (Naxos)
Sie besteht aus 11 CDs. Sie ist wohl kaum vollständig. Robert Craft, der alles leitet, ist ein hochkompetenter Dirigent. Das Philharmonia Orchestra, das neben den Berliner Philharmonikern vielleicht das beste Orchester ist, spielt wunderbar und holt alle Feinheiten heraus.
Robert Craft ist 1923 geboren. Er war die „rechte Hand“ Stravinskys. Die letzte der Aufnahmen dieser Edition stammt von 2007, d.h. Craft leitete sie mit 84 Jahren. Im Gegensatz zu Stravinsky interessierte er sich schon immer für Schönbergs Wiener Schule und ging diesem Interesse 23 –36 Jahre nach Stravinskys Tod mit Leitung der im folgenden genannten Aufnahmen nach.
Zeichenerklärung für das Folgende.
* weist auf eine CD in meinem Besitz hin, # auf ein Werk.
Von den Nummern der CDs führe ich die beiden letzten an.
*18-19: #Gurre-Lieder. Sie wurden geschrieben von Jens Peter Jacobsen nach einer Legende aus dem mittelalterlichen Dänemark. Gegurrt wird nicht, aber eine Waldtaube tritt auf, und die Heldin heißt „Taube“. Auch gibt es in Dänemark ein Schloss Gurre – oder Reste von ihm, in dem sich das grausige Geschehen abgespielt haben soll.
Man kann das Stück als Oper bezeichnen. Sie hat mich an Wagners Tristan erinnert, und ich empfand sie sogar noch als Steigerung. Die Musik ist hochdramatisch, mir aber etwas zu pathetisch. Die beiden letzten Stücke, also das Finale, sind gut komponiert, aber schrecklich, kaum auszuhalten.
*20: #Concerto for String Quartet and Orchestra in B flat after the Concerto Grosso op.6 No.7 by Händel. 1933. Ich habe beides gehört und war fasziniert von dem, was er mit viel Dynamik und Witz aus Händel gemacht hat.
#Suite for Piano Op.25, 1921-23 An Jazz erinnernd, vielstimmig, erfreulich, unterhaltsam, sehr reizvoll.
Diese Suite befindet sich auch auf der CD „Glenn Gould plays Berg, Webern, Schönberg“, siehe unten
#Lied der Waldtaube, from Gurre-Lieder, Version 1923. Spricht mich nicht an, zu pathetisch.
#The book of the Hanging Gardens, op.15, 1908, nach Stefan George. Sehr lyrisch-dramatisch oder auch pathetisch, sprach mich nicht an. Im Begleitheft ist auch der lange Text von Stefan George abgedruckt. Sie können feststellen, wann es Ihnen zu lang wird.
*21: #Six a cappella Mixed Choruses. 1928 und 1948. Bearbeitungen deutscher Volkslieder aus dem 16.Jh. Schön, nicht modern, an den Stil der Zeit erinnernd. Texte im Begleitheft.
#String Quartet No.2, op.10, 1908. Sehr originell und interessant, die beiden ersten Sätze faszinierend, die beiden letzten mit Gesang nach Gedichten von Stefan George, lyrisch und dramatisch, weniger faszinierend. Texte im Begleitheft.
#Suite in G for String Orchestra 1934. Für den Intellekt interessant, doch werden Sinnenfreuden weniger angesprochen.
*22: #Serenade, op.24. Spannend zu hören, was Schönberg aus dem Serenadenschema gemacht hat. Teils schön.
#Variations for Orchestra op.31, 1926-1928: Faszinierend, ein Weltwunder.
Dieses Werk ist auch auf „Bewegte Zeiten, Neues Musik in der Weimarer Republik 1919-1933, Dt.Grammophon. Hier wird es von den Berliner Philharmonikern unter Karajan gespielt. Das Philharmonia-Orchestra und die Berliner spielen beide großartig und unübertrefflich. Das Stück hat mich weniger vom Musikalischen oder vom Ausdruck her fasziniert als von der Virtuosität her, mit der Schönberg die Möglichkeiten des Orchesters erfasst. Zu dieser Musik gehört auch ein hoch differenziert spielendes Spitzenorchester wie eins dieser beiden, das diese Möglichkeiten klanglich realisiert und an dieser Musik sein Können zeigen kann.
#Bach Orchestrations, 1922 und 1928: Ein Höhepunkt im Werk von Schönberg und auch des Alten Bach, der sich über diese Aufführung gefreut hätte. Hätte er das Philharmonia-Orchester in Leipzig gehabt, hätte er sicher auch für dieses komponiert.
*23: #Herzgewächse, op.20, 1911. faszinierend
#Pierrot Lunaire, op.21, 1912. Faszinierend. Text von Albert Giraud = Albert Kayenbergh (1860-1929, belgischer Symboldichter) in der Bearbeitung von O.E.Hartleben. Es handelt sich um eine längere poetische, aber auch schaurige Geschichte (Sprechstimme), die in der Tradion von Commedia dell’ Arte, Pulcinella, Harlequin, Colombine, des Gilles von Watteau usw. steht.
Während die Wikipedia über Giraud nichts Außergewöhnliches zu berichten hat, tritt O.E.Hartleben mit seinen vielen Gründungen von Künstlerkreisen, die auch durch einen gemeinsamen Geist verbunden sein sollten, desto mehr hervor.
#Four Orchestral Songs, Op.22, 1916. Faszinierend. 3 der Stücke sind zu Rilke-Gedichten, die leider im Begleitheft nicht stehen. Es handelt sich um folgende 3 Gedichte:
„Alle, welche dich suchen, versuchen dich, und die, so dich finden, binden dich an Bild und Gebärde. ...“ (Rilke Werke, Insel-Verlag, Band 1, S.75) stammt aus einem Teil des Stunden-Buches, nämlich dem Buch „Von der Pilgerschaft“, das ich „merk- und denkwürdige Dialoge Rilkes mit Gott“ nennen möchte.
„Mach mich zum Wächter deiner Weiten, ... auszubreiten, auf deiner Meere Einsamsein; ... weit in den Klang der Nacht hinein. ... deine leeren Länder, durch die die weiten Winde gehn, ... des Weges gehn, den keiner kennt.“ (Band 1, Seite 100, Stunden-Buch, 3.Buch, Das Buch von der Armut und vom Tode). Hier scheint mir, dass ich Schönbergs Musik schon fast höre. Auch treffen die letzten zitierten Worte auf sein Schaffen zu.
„Vorgefühl“ (Band 1, S.158, Das Buch der Bilder, Des ersten Buches zweiter Teil) enthält die Verse, von denen – nach Robert Craft im Begleitheft – Schönberg geglaubt haben muss, dass sie direkt an ihn gerichtet waren:
Da weiß ich die Stürme schon und bin erregt wie das Meer.
Und breite mich aus und falle in mich hinein
und werfe mich ab und bin ganz allein
in dem großen Sturm.
Über den Titel des ersten der 4 Lieder, Seraphita, konnte ich nur erkunden, dass es eine gleichnamige androgyne Romangestalt von Balzac gibt.
#Chamber Symphony No.1, op.9, 1906, faszinierend
*24 # Five pieces for Orchestra, op.16, 1909, sprach mich wenig an.
#Cello Concerto after Georg Matthias Monn (Konzert für Cembalo d-dur, 1746), 1932, freie Bearbeitung. Monn wird neben Wagenseil und Salieri der frühen Wiener Schule zugerechnet. Werke von ihm sind auf CDs erhältlich, wobei auf der jeweiligen CD meist noch verschiedene andere Komponisten sind. Ich konnte die Eigenart Schönbergs nicht erkennen. Das Stück sprach mich nicht besonders an.
# Brahms, orchestriert von Schönberg, Piano Quartett in G moll, op.25, 1937.
Eine gelungene Verbindung von Brahms und Schönberg mit sehr schönen Stellen, sprach mich aber im ganzen nicht an.
Schönberg war 23 Jahre alt, als Brahms starb. Letzterer hätte Schönbergs „Ei du Lütte“ noch hören können, das allerdings noch nicht charakteristisch für ihn ist. Ich meine in vielen seiner Stücke zu erkennen, dass der junge Schönberg einer spätromantisch geprägten Zeit angehörte, wobei der Einfluss von Wagners Tristan bereits über die Romantik hinausweist.
*25#Six Songs, op.8, for Soprano and Orchstra, 1903 – 1904. Der Text zum ersten Lied stammt von Heinrich Hart, einem merk-würdigen Dichter und Kritiker des Naturalismus aus Münster (siehe Wikipedia), die zu den 3 letzten von Petrarca in der Übersetzung von Stefan George. Leider fehlen die Texte im Begleitheft.
Die Stücke sind hochdramatisch und graßartig gespielt, sprachen mich aber dennoch kaum an.
#Friede auf Erden, op.13, 1907. Die Musik fand ich ganz faszinierend. Der Text ist laut Begleitheft von einem „Frederick Meyers“. Dieser ist nirgends zu finden. Es könnte sich aber um Frederic William Henry Myers handeln, einen englischen Sprachwissenschaftler, geb.1843, einen Vorläufer der Tiefenpsychologie und auch der Parapsychologie. Er schuf den Begriff „Telepathie.“ Seine Forschungen betrafen auch das Leben nach dem Tod, und hier hatte er Erschreckendes mitzuteilen. Auch dichtete er. Er scheint auch jetzt noch eine Leserschaft zu haben, die wahrscheinlich einen esoterischen Kreis bildet. Wieder hatte Schönberg einen Merk- und Denkwürdigen aufgegabelt, der in seinem faustischen Drang wohl sehr weit über das Rationale hinausging. Überhaupt scheint es damals ein Zeitalter der Merk- und Denkwürdigen gewesen zu sein, so dass viele hofften, Freud könne ihnen alles erklären.
#Six Pieces, for Male Chorus a cappella op.35, 1929-1930. Faszinierend, wunderbar schön. 3 der Stücke sind Bearbeitungen deutscher Volkslieder aus dem 16.Jh. Der Text des Stückes „Ausdrucksweise“ ist eine schwer verständliche philosophische Grübelei von Schönberg.
#Ei, du Lütte, 1895/6. Chor. Ansprechend.
Hier wird plattdeutsch von Engländern gesungen. Es wäre zu klären, wie weit sich dieser Dialekt als gesungene Sprache eignet – neben dem Italienisch bestehen kann.
Schönberg war immerhin schon 21 bis 22 Jahre alt, als er dieses früheste Stück der Edition schrieb. Der Text ist von Klaus Groth, einem aus den Dithmarschen (dem Land nördlich der Elbmündung) stammenden Kieler Sprachwissenschaftler, der in der dithmarschen Mundart dichtete und sich dem dortigen Volkstum verbunden fühlte. Am bekanntesten ist wohl sein Gedicht „Matten Has“.
Der alte Groth hätte noch 3 Jahre seines Lebens Zeit gehabt, Schönbergs Vertonung zu hören. Es hat mich doch sehr überrascht, dass ein Jude aus dem katholischen Wien sein Werk mit der Vertonung eines mundartlichen Textes aus dem entgegen-gesetzten protestantischen Ende Deutschlands begann – wer hätte den Matten-Has-Dichter mit Schönberg in Verbindung gebracht? Aber diese Überraschung sollte ja nicht die einzige bleiben.
#Kol Nidre, for Rabbi-Narrator. Mixed Chorus and Orchestra. Op.39, 1938. Sehr dramatisch und expressiv, sprach mich aber kaum an. Dieser liturgische Text ist sephardisch-spanisch, Juden gehörig, die zum Christentum übergegangen sind. Hatten diese ihre Texte aufbewahrt? Jedenfalls gut, dass Schönberg die vorhandenen Reste zum Leben erweckte.
# Moses and Aron (1932): Excerpts from ‚The Golden Calf and The Altar’, Act II, Scene 3, 1932. Sehr wild, sehr ekstatisch, faszinierend. Schönberg hat den Text selbst geschrieben unter gewisser Abwandlung der Bibel. Eine ausführliche Erläuterung findet sich in der wikipedia.
*26 # Chamber Symphony No.2, op.38. 1906, vor allem 1939. Interessant, spricht mich aber nur wenig an.
# Die glückliche Hand, op.18, 1913. Eine Pantomime für 2 schweigende Schauspieler, einen Solo-Sänger und Chor. “Ein Drama mit Musik.“ Symbolisch und auto-biographisch. Schönberg, der das Libretto geschrieben hatte, stellte sich vor, dass die Musik mit Farben und Formen verbunden werden sollte, und dachte dabei an Kandinsky und Kokoschka. Die Musik fand ich höchst dramatisch und interessant, doch sprach sie mich nur wenig an.
# Wind Quintet, op.26, 1924. Für das übliche Holzbläser-Quartett und Horn. Macht wegen der Vielstimmigkeit Freude zu hören. Sehr einfallsreich. Interessant, wie er das traditionelle Kammermusik-schema abwandelt.
*27 # Pelleas und Melisande. Die beiden sind keine Gestalten der Antike oder Mythologie, sondern erdichtet vom Maurice Maeterlinck und Hauptfiguren seines gleichnamigen Schauspiels (1892). Die Ähnlichkeiten der Handlung mit der von „Tristan und Isolde“ ist unverkennbar. Nach Kindlers Neues Lit.Lex. 1990 zu schießen ist das Stück mehr auf Wagner als auf die mittelalterlichen Dichter bezogen. Zu diesem Stück schrieb Gabriel Fauré eine Bühnenmusik und eine Orchestersuite und Debussy eine Oper (siehe dort).
# Schönbergs Orchester-suite „Pelleas und Melisande“ von 1902 faszinierte mich. Sie ist eine gekonnte Fortentwicklung von Wagners Tristan. Die Möglichkeiten für ein großes Orchester werden voll ausgeschöpft und vom Philharmonia-Orchester unter Craft großartig verwirklicht.
Auch die genannten „Gurre-Lieder“ sind eine solche Fortentwicklung, doch ist der Text mit seinen schaurig-entsetzlichen Ereignissen aus dem Alten Dänemark ganz anderer Art als Tristan.
Ich sehe in der 1859 von Wagner geschriebenen Oper „Tristan und Isolde“ eine Art Urknall, dessen Rauschen ein Drittel bis fast ein halbes Jahrhundert später bei den genannten Kunstwerken hörbar ist. Es kann aber auch sein, dass in dieser Zeit eine Art Tristan-Renaissance stattfand oder dass diese Musik erst jetzt von den Komponisten rezipiert und damit eine neue Musikepoche eingeleitet wurde. Dafür spricht auch, dass selbst Wagner in der Folgezeit hinter seinem Tristan zurückblieb – ein Urknall also, dessen Auswirkung sich in der Musik verzögerte.
Etwa um die Zeit der Entstehung von Wagners Tristan brach mit den ersten authentischen Bildern von Manet und Degas (1862) auch die Zeit der Impressionisten an: Es wurde Licht, während es mit Wagners Tristan Nacht wurde. Dennoch scheint es mir Gemeinsamkeiten zu geben: Es kam etwas in Bewegung, es erfolgte ein „Urknall“.
#Erwartung, op.17, 1909. Monodrama for Soprano and Large Orchestra. Die Musik ist hochdramatisch, sprach mich aber nicht an. Der Text ist von Marie Pappenheim, einer wahrlich hochinteressanten und hoch vielseitigen Frau. Ich will hier nichts weiter über sie sagen, da es zu umfangreich würde und in der wikipedia leicht nachzulesen ist. Ob sie mit Bertha Pappenheim, der Anna O von Freud und Breuer, verwandt ist, ist nicht sicher. Bei den sozialen und psychoanalytischen Interessen (Marie war Reich-Schülerin, Reichs Eltern waren jüdischer Herkunft), die beide hatten, ist das aber gut möglich. Obwohl es ihnen nicht an Kühnheit fehlte, stammen die beiden Jüdinnen sicher nicht von dem Feldmarschall Pappenheim ab, dessen Reiter Schillers Wallenstein zu kennen glaubte..
Abgesehen von dem wohl biederen Klaus Groth hatte Schönberg immer hoch aufregende Textdichter(innen). Ich bin überzeugt, dass irgendwann auch noch eine Vertonung von Texten von Lu Andreas-Salomé auftaucht - die fehlt noch.
„Erwartung“ ist (nach Robert Craft im Begleitheft) der innere Monolog einer Frau, die ihren Liebhaber getötet hat, wobei sie aber dennoch ein Treffen mit ihm erwartet. Es kann sein, dass sie alles nur träumt oder auf der Couch des Psychoanalytikers phantasiert. Die Geschichte wird im Begleitheft erzählt, doch ist der Text leider nicht abgedruckt.
28 # A Survivor from Warsaw, op.46, 1947. Eindrucksvoll, vor allem zusammen mit dem Text. Woher dieser kommt, konnte ich im Begleitheft nicht feststellen – es ist der des „Erzählers“. Es handelt sich um eine 7 minütige Darstellung von Interaktionen zwischen deutschen Soldaten und ihren jüdischen Opfern beim Aufstand im Warschauer Ghetto.
# Prelude to Genesis op.44, 1945. Interessant,. Ein „Präludium zur Genesis“ ist ein Widerspruch in sich, da es ja vor der Schöpfung nichts gab, schon gar kein Präludium. aber vielleicht gab es ja das Chaos schon vor der Schöpfung. Wer nur hat daaas geschaffen? Aber mit „Genesis“ ist hier eine in Los Angeles bei prominenten Hitler-Flüchtlingen in Auftrag gegebene Folge von Musikstücken zu biblischen Texten gemeint, zu der Schönberg ein Präludium schreiben sollte. Beim Werk des 71jährigen Schönberg kommen dem Robert Craft Erinnerungen an Wagners Faust-Ouvertüre und an seinen Tristan. Schönbergs Beziehung zu Wagners Tristan blieb also zeitlebens erhalten, und seine Beziehung zu „Faust“ tritt auch hier hervor.
Bei der Uraufführung waren die Komponisten (neben Milhaud, Castelnuovo-Tedesco u.a.) Schönberg und Stravinsky anwesend, mieden aber einander, obwohl dieses gemeinsame Schaffen ja ein Jahrhundert-ereignis war und Grund zum Feiern gewesen wäre.
# Dreimal Tausend Jahre, op.50A, 1949. Sehr schön. Soll heißen: „Dreimal in tausend Jahren wurde der Tempel verwüstet.“ Nach Robert Craft beruht der Text auf einem „Hassidic poem“ – gemeint ist wohl „Chassidisches Gedicht“. Unmittelbarer Autor ist Dagobert Runes, wohl Dagobert David Runes, 1902-1982, aus der Bukovina, jetzt Ukraine, Philosoph, Dichter, Verleger, Herausgeber (u.a. der Werke des jüdischen Philosophen Spinoza, der von Leibniz über Goethe bis Schelling einen großen Einfluss ausübte), Spiritueller, Schreibfreund Einsteins (siehe Wikipedia, Stichwort Runes). Der Text stammt nach Google, Runes, aus seinen „Jordan-Liedern“.
# Psalm 130, De Profundis, for Mixed Chorus a cappella,. Op.50B. 1950. In Hebräisch. Faszinierend, unübertrefflich. Ich konnte nicht beurteilen, ob es sich um Eigenes von Schönberg oder um eine Komposition im Stil der Zeit vor ihm handelt. Nach Craft ist es die letzte vollendete Komposition des 76jährigen Schönberg. Das Stück war bestimmt für eine Anthologie jüdischer Musik.
# Ode to Napoleon Bonaparte, op.41, 1942 Wohl ein Spottlied, wird etwas lang. Der ganze Vorgang ist recht verworren: Der Text stammt von Lord Byron, einem ehemaligen Bewunderer Napoleons, und drückt seine Enttäuschung über dessen Abdankung aus. Auf Wunsch seines Verlegers fügte der Lord noch Strophen an, wodurch wohl zu erklären ist, dass mir das Hören etwas lang wurde. Die Musik spielt auf die Eroica an. Beethoven widmete sie Napoleon, strich dann aber im Zorn die Widmung. Gemeint von Schönberg ist aber eigentlich Hitler, dessen Sturz er voraussah. Die etwas hergeholte Parallele liegt also in der schließlich negativ gewordenen Einstellung von Byron und Beethoven zu Napoleon und in der – wohl immer schon – negativen Einstellung Schönbergs zu Hitler und im erfolgten bzw. vorhergesehenen Fall des jeweiligen Diktators.
Obwohl beim Komponieren dieser Ode wohl keine allzu intensive Begegnung mit Byron stattfand, ist zu bemerken, dass sich Schönberg wieder einen ganz außergewöhnlichen Textdichter aussuchte: „... zwiespältig ... von der englischen Gesellschaft geächtet ... ständig ruhelos ... Vorliebe für das Satanische ... . Goethe setzte ihm im 2.Teil des „Faust“ in der Gestalt des Euphorion ein Denkmal.“ (Brockh.Enzykl.2006). Wieder also Faust!
# Concerto for Violin and Orchestra op.36, 1934-36. Faszinierend, hinreißend. Gehört zu den ganz großen Violinkonzerten der Musikgeschichte, wobei nach Craft vor allem an das von Brahms zu denken ist. Das traditionelle Schema ist wiederzuerkennen, aber ganz eigenständig weiterentwickelt. Das Konzert ist genau so alt wie ich, und ich weiß nun, was zur Zeit meiner Geburt geschah.
2.2 CDs mit weiteren Werken Schönbergs
*Glenn Gould plays Berg, Webern, Schönberg.
# 3 Klavierstücke op.11. Sprach mich nicht an.
# Klavierkonzert op.42, sprach mich kaum an.
###Außerdem enthält die CD die Suite für Klavier op.25, die in der Craft-Edition (siehe oben) enthalten ist, sowie von Berg und Webern je 1 Werk
*The Viennese School, Teachers and Followers, Arnold Schönberg. DG-Scene.
# Enthält die 3 Klavierstücke op.11, 1909-1924, die auch auf der Gould-CD sind, doch erlebte ich sie hier als sehr schön. Das 2.dieser Stücke ist zusätzlich in einer Konzert-Stil Interpretation von Ferruccio Busoni eingespielt, was mich aber nicht ansprach. Außerdem sind Klavierstücke von 6 Schönberg-Schülern eingespielt – außer Berg und Webern.
2.3 CDs, die von Schönberg nur solche Werke enthalten, die in den oben beschriebenen CDs enthalten sind.
**Bewegte Zeiten, neue Musik in der Weimarer Republik, 1919-1933. Deutsche Grammophon, 2 CDs.
Enthält die Variationen für Orchester op.31 (siehe oben) sowie 21 Werke anderer Komponisten.
3. Anmerkungen
19.2.2011: Habe die Anzeigen auf den CDs erfasst. Alle meine CDs sind erfasst. Ich will nichts Weiteres von Schönberg sammeln. Der ganze Text ist richtig.
M.Ravel geb.1875
Wolf-Ferari geb.1876
Schreker geb.1878
Respighi geb.1879
Ist wohl typisch für die letzte Teilphase der vorigen Epoche.
Bartok geb.1881
Stravinsky geb.1882
Kodaly geb.1882
A.Webern geb.1883
Casella geb.1883
Spätromantisch-neoklassizistisch (Br.Enz), der früheren Epoche zuzuordnen
Alban Berg geb.1885
*Alban Berg, Chamber Music, Complete, Schoenberg Quartet, brilliantclassics. – Sehr einfallsreich, ausdrucksvoll, nuanciert. Sehr hörenswert. Teils sehr zart, noch ansprechender und lebendiger als Schoenberg. Sehr spannend, welche Möglichkeiten des Streichquartetts er findet. Prickelnd, Neue Musik zu hören.
Villa-Lobos geb.1887
Impressionistisch, neoklassizistisch, Folklore (Br.Enz.) – der vorigen Epoche zuzuordnen.,
Ibert geb.1890
Prokofjew geb.1891
Arthur Honegger geb.1892
Darius Milhaud geb.1892
Hindemith geb.1895
Orff geb.1895
Castelnuovo-Tedesco geb.1895
Gehört zu den nach Los Angeles Emigrierten, gemäßigt modern (Br.Enz.)
Hanns Eisler geb.1898
Eisler war Schönberg-Schüler, dessen Prinzipien er auch treu blieb, überzeugter Kommunist, Komponist für Brecht, Los-Angeles Emigrant und DDR-„Hofkomponist“. Es ist interessant, dass er als Schönberg-Schüler überzeugter DDR-Bürger war und den Aufstieg in ihr geschafft hat – bei den Nazis wäre das wohl nicht möglich gewesen.
Gershwin geb.1898
Georges Auric geb.1899
Francis Poulenc geb.1899