9. Von Pisendel, geb.1687, bis Beethoven, geb.1770
Einleitung
Johann Georg Pisendel lässt sich bedenkenlos bereits in die nachbarocke Epoche einordnen. Zwischen dem 1686 geborenen Weiss und dem 1687 geborenen Pisendel scheint wirklich ein tiefer Einschnitt zu liegen. Bei Durchsicht meiner CDs habe ich festgestellt, dass auch alle später Geborenen in dieser 9. Epoche am besten aufgehoben sind.
Beethoven zum letzten dieser Epoche zu bestimmen ist nicht ganz zufriedenstellend, da mit dem späten Mozart und vor allem dann mit ihm etwas grundsätzlich Neues geschah, das sicherlich nicht mehr zur galanten und empfindsamen Vorklassik gehört. Aber auf ihn, der sich seinen ganz persönlichen und echten Ausdruck verschafft, läuft alles zu, was in dieser 9.Epoche komponiert wurde. Zu den romantischen und den andern folgenden Komponisten gehört er erst recht nicht. Man müsste ihm eine eigene Epoche zuordnen, aber das ist auch nicht sinnvoll, da Epochen ja dazu dienen, Komponisten mit einer gewissen Ähnlichkeit zusammenzufassen bzw. eine Zeit zu charakterisieren, nicht einen einzelnen.
In diese 9.Epoche gehört die sog. Klassik, aber zu der gehören eigentlich nur die Wiener Klassiker, nämlich Haydn, Mozart und Beethoven. Die Klassik ist sozusagen ein Triumvirat, allerdings aus 3 sehr verschiedenen Männern bestehend, aber keine zeitliche Epoche.
So schließe ich die Epoche mit Beethoven ab. Dass sie mit ihm und nicht etwa einem später geborenen Komponisten abzuschließen ist, begründe ich bei der Besprechung der folgenden Epoche, der ich diese Komponisten zuordne.
Die frühe Schaffenszeit dieser Komponisten liegt also von 1707 bis 1790. Bezüglich der übrigen Kunst umfasst sie also das Rokoko (1710-1749), die Zeit von 1750-1776, die Goethes Geniezeit umfasst, und die Zeit von 1777-1793. 1794 erschien eine Schrift von Friedrich Schlegel, die es erlaubt, dieses Jahr als den Beginn der Romantik anzusehen. Die kulturellen Epochen, die dieser 9.Musikepoche zuzuordnen sind, liegen also ebenfalls vor der Romantik.
Wassenaer, Unico Wilhelm Graf van, geb.1692
#Cencerti Armonici 1-6, früher Pergolesi zugeschrieben
*Wassenaer, Concerti Armonici, hyperion
Bewegt sich noch im spätbarocken Rahmen, doch lassen eine besondere Expressivität und Differenzierung der Stimmen eine Zuordnung zu dieser 9.Epoche zu. Faszinierend durch das Zusammenwirken der Stimmen. Ich glaube nicht, dass die Stücke von einem Diplomaten aus dem Schloss Twickel in Overijssel in seiner Freizeit komponiert wurden, obwohl ich das nicht ausschließen kann. Ich glaube vielmehr, dass dieser Graf ein Guttenberg des 18.Jh.war. Adlige sahen ja alles, was auf ihrem Grund und Boden und in ihren Diensten geschah, als das Ihre an. Ich glaube, dass die Stücke von einem ganz Großen, hochprofessionellen Italiener stammen, dem die Musik im Blut lag, der mit ihr aufgewachsen ist und mit ihr lebte.
Molter, Johann Melchior, geb.1695
# Trompetenkonzerte, alle auf
**CD Molter Trumpet Concertos Complete, Otto Sauter, Brilliant Classics.
Zwischen Barock und Empfindsamkeit. Lässt sich ohne Zweifel dem nachbarocken Zeitalter zuordnen.
CD1 ist angenehm zu hören, nicht hinreißend. Die Trompete ist sehr schön, fast wie Flöte. Hat schöne Stellen.
CD2 ist noch viel reizvoller als 1, vor allem durch das Zusammenspiel insbesondere von Fagott und Trompete. Wird durch das Konzertieren faszinierend, d.h. durch das Gegeneinander und Zusammen der Instrumente.
Mozart als Barockkomponist ric 9.9.2010
Es ist nicht nötig, auf die berühmten "klassischen" Spätwerke Mozarts hinzuweisen.
Ich werde dem "eigentlichen" Mozart - den ich ebenfalls sehr liebe - nicht gerecht, wenn ich hier nur seine barockhaften, in der Regel aus seiner Frühzeit stammenden Stücke zusammenstelle. Für den Liebhaber barocker Musik, der den Erfinder unseres heutigen Pianos verwünscht, sind die im folgenden angeführten Stücke jedoch sehr reizvoll.
Die Sinfonien, Serenaden usw., religiösen Werke, Arien usw., Opern habe ich allerdings nicht berücksichtigt.
Mit dem frühen, z.T. barocken Mozart bzw. dem barocken, meist frühen Mozart ist das Ende der Vielstimmigkeit erreicht, die um 1100 in Limoges/Aquitanien begann - einer 680 jährigen Geschichte also. Mozart wird die Ablegung der barocken Fesseln auch als Befreiung erlebt haben, er komponierte ja ein Begräbnisstück für den längst verstorbenen "Herren Meister Kontrapunkt" - man ahnt, wer gemeint war. Interessant ist aber, was er noch in diesen Fesseln geschaffen hat, in denen ja Jahrhunderte lang Größtes geleistet wurde.
Ich gehe aus von der Kassette "Complete works" von Brilliant Classics.
Zu den einzelnen Stücken: Besonders schön und vielstimmig sind seine 3 Konzerte für Cembalo, 2 Violinen und BC KV 107 nach Johann Christian Bach.
Von seinen Violinkonzerten fand ich hinreißend von Nr.1, 2 und 5 jeweils den 3. Satz, Nr.4 sowie das Adagio KV 261 und die Rondos KV 269 und 373. Alle diese haben zwar mit Barock nichts mehr zu tun, doch erwähne ich sie trotzdem, da die Violine eine große Bedeutung im Barock hatte und man hier hören kann, was aus ihr geworden ist.
Die Sinfonia Concertante KV 364 fand ich sehr schön, auch wegen der verschiedenen Stimmen, während ich das Concertone KV 190 als in dem gefällig-dekorativen Stil des frühen Mozart komponiert empfand.
Die vom Cembalo begleiteten, auf der Barockvioline gespielten Violinsonaten KV 6-9 sowie 26-31 faszinierten mich, die Variationen KV 359 (374a) und 360 (374b) fand ich sehr reizvoll, auch wegen des nachgebauten "pianoforte", das dem Cembalo ähnelt.
Die weiteren Violinsonaten (ich hörte KV 376 und z.T.377), die Sonatensätze KV 402 und 404, die alle vom piano begleitet wurden, sowie die Kirchsonaten (eine besondere Gattung, die mit Kirche wohl nichts zu tun hat) sprachen mich trotz ihrer unbestreitbaren Qualität sehr viel weniger an, doch fand ich bei KV 402 die Fuge faszinierend, bei der ich nicht erkannt hätte, dass sie von Mozart komponiert wurde.
Die Duos für Violine und Viola, KV 423 und 424, sowie das Trio für 2 Violinen und Cello, KV 266, gespielt auf barocken Instrumenten, gehören zu den schönsten Stücken, die ich kenne.
Mozart hat Fugen von J.S. und W.Fr.Bach auf ein Trio aus Violine, Viola und Cello übertragen (KV 404a). Das klingt schön, und die Stimmen werden gut erkennbar.
3 CDs der genannten Ausgaben enthalten Variationen über Themen meist anderer Komponisten. Sie werden auf einem Fortepiano gespielt, das einem Instrument von 1795 nachgebaut ist. Das Fortepiano unterscheidet sich offenbar vom Pianoforte. Es klingt schöner als letzteres. Die Musik ist sehr reizvoll, einfallsreich, spontan, lebendig. Man kann sich das "bei-Gott-Sein" Mozarts vorstellen, aber auch, dass die Stücke in einem Caféhaus oder einer Weinstube gespielt werden.
Besonders schön wegen der Instrumente und der Komposition ist Vol.6 CD9, bei der sich Orgel, Clavichord, Cembalo und Tangentenflügel abwechseln - 22 Stücke, darunter eine Fuge.
Die Suite KV 399 (385i), auf dem Cembalo gespielt, hörte sich mir ganz barock an.
Die auf der Orgel gespielten Stücke KV 574 und 616 fand ich schön, das Glasharmonikastück KV 356 (617a) wegen Instrument und Komposition unvergleichlich und wunderbar (Vol.6, CD 11). Diese 3 Stücke haben mit Barock wohl nichts mehr zu tun, doch erwähne ich sie hier trotzdem, da sie aus dem Rahmen dessen fallen, was man sonst von Mozart kennt. Hierunter würde auch Vol.6, CD15 mit Orgelstücken fallen, die ich noch nicht gehört habe.
Es gibt noch Vol.6, CD 12 und 13 mit
Klavierstücken zu 4 Händen. Sie werden auf 2 Fortepianos gespielt, die einem von 1795 nachgebaut sind. Gehört habe ich KV 381 sowie den 1.Satz von KV 497. Ich würde sagen, dass es sich um einen "eher durchschnittlichen Mozart" handelt. Recht interessant ist jedoch seine
FugeKV 401. Seine
Fantasie für mechanische Orgel, KV 608, wird übrigens ebenfalls auf dem fortepiano gespielt.